Erstaunt sieht er sich um. Alles ist neu, nichts ist ihm bekannt. Die Neugier packt ihn und er stürzt sich in die Neue Welt.
Er lernt ihre Bewohner kennen, ihre Regeln, ihren Glauben und ihren Umgang mit ihren Mitmenschen und der Natur. Zuerst wird er als Feind betrachtet, die Einheimischen lehnen ihn ab, sie wollen ihn nicht.
Aber er bleibt hartnäckig. Er zeigt den Einheimischen, dass er von ihnen lernen will und erarbeitet sich langsam ihr Vertrauen.
Der Mann reiste aber nicht alleine in die Neue Welt. Die Gruppe, mit der er kam, sieht die Einheimischen als Gefahr. Sie drohen mit einem Angriff.
Der Mann hat die Neue Welt mittlerweile lieben gelernt und versucht zu vermitteln. Vergeblich. Es kommt zum Kampf und der Mann muss sich entscheiden, auf wessen Seite er kämpft.
Kommt dir der Plot bekannt vor?
„Na klar, das ist der Plot von Pocahontas!“
„Nein, das ist eindeutig die Geschichte von Avatar.“
Beides stimmt.
Die Plattform Slashfilm stellte eine Zusammenfassung von Pocahontas online. Sie ersetzten die Daten und Namen durch die von Avatar und siehe da – schon hatten sie eine Kurzbeschreibung der Geschichte von Avatar.
Während die einen mit heißerer Stimme „Plagiat“ rufen, lehnen sich die anderen zurück und sagen „ist doch kein Problem, es gibt eben nur die sieben Basic Plots!“
Dasselbe wurde auch mit Harry Potter und Star Wars gemacht. Hier der Link zur Website von Slashfilm, auf der ich die Vergleiche entdeckt habe.
Nach der Theorie von Christopher Brooker lassen sich alle Geschichten den Seven Basic Plots zuordnen. Unabhängig vom Medium. Kein Wunder, dass es zu Parallelen und Übereinstimmungen unterschiedlicher Geschichten kommt.
Die Sieben Basic Plots
„Das menschliche Gedächtnis ist keine riesige Bibliothek, in der all unsere erlebten, gehörten, gesehenen oder erfundenen Geschichten wie Bücher aufgereiht sind. Das würde viel zu viel Platz und damit Speicherkapazität einnehmen. Auch die Logistik beim Einlagern und Abrufen wäre mit einem solchen System zu aufwendig. Viel effizienter ist es, von den wichtigsten und immer wiederkehrenden Ereignissen Mustervorlagen herzustellen. Diese Prototypen lassen sich dann beliebig variieren, je nach Verwendungszweck. Dieses Set an gemeinsamen Geschichten erlaubt es, dass wir uns an die soziale und kulturelle Umgebung anpassen können.“
So beschreibt es Werner T. Fuchs in seinem Buch Warum das Gehirn Geschichten liebt.
Wie Daniel Kahnemann es so lebhaft ausdrückt, ist unser Gehirn – zumindest System 1 – faul.
Die Schablonen der Sieben Basic Plots helfen unserem faulen Gehirn, schnell und einfach kohärente Geschichten zu entwickeln.
Ich möchte natürlich aktiv an der Unterstützung der Faulheit unseres Denkens mitwirken und präsentiere feierlich: Die Sieben Basic Plots, die nicht ich entwickelt habe, sondern Christopher Brooker.
Das Monster überwinden
Der Titel sagt alles.
Der Held oder die Heldin müssen ein Monster überwinden. Das Monster kann ein hungriger weißer Hai sein oder der nächste Bösewicht, der im Universum von James Bond die Weltordnung auf den Kopf stellen will.
Der Kampf gegen das Monster kann auch ein innerer Kampf sein. Der Kampf gegen das dunkle Monster der Depression oder der tägliche Kampf gegen den inneren Schweinehund.
Die Beispiele kommen aus der Welt fiktionaler Geschichten, aber auch im Corporate Storytelling kannst und sollst du auf die Seven Basic Plots zurückgreifen.
Du kannst die Geschichte der Gründer erzählen, die das bürokratische Monster oder die (über)starke Konkurrenz überwinden mussten, um erfolgreich zu werden. Oder du erzählst vom Kampf gegen das Monster der Sucht, woraus ein erfolgreiches Sachbuch entsteht – wie Allen Carr es gemacht hat.
Nicht nur du oder dein Unternehmen können Held oder Heldin der Geschichte sein, sondern auch deine Mitarbeiter:innen oder Kund:innen.
Vom Tellerwäscher zum Millionär
Nichts inspiriert Menschen mehr als die Geschichte vom durchschnittlichen Joe oder der durchschnittlichen Jane, die es von der Tellerwäscherin zur Millionärin geschafft hat.
Menschen wie du und ich.
In der Welt der Fiktion gehören Cinderella oder Aladin in diese Kategorie.
Natürlich gibt es auch in der Geschäftswelt solche Geschichten.
Eine in Österreich bekannte und erfolgreiche Marke ist Zotter. Wer aber glaubt, dass die Geschichte von Zotter so süß wie seine Schokolade ist, irrt.
Josef Zotter musste 1996 Insolvenz anmelden.
Doch er lernte aus seinen Fehlern und baute ein erfolgreiches Unternehmen auf.
💡 Ein persönlicher Hinweis am Rande: Wer Schokolade kosten und nebenbei wunderschönes Storytelling erleben will, muss die Zotter-Erlebniswelt besuchen.
Ein Beispiel aus der Welt der Finanzen ist Ronald Read.
„Wer ist Ronald Read“, fragst du.
„Er war Hausmeister… und Millionär.“
Durch konsequentes Sparen baute er sich ein Vermögen von 8 Millionen Dollar auf. Die Geschichte wird gerne dazu verwendet, um Menschen zum Sparen zu motivieren und ihnen zu zeigen, dass sie kein riesiges Gehalt dafür benötigen.
Du kannst auch die Geschichte deiner selbstständigen Kundin erzählen, die hart schuftete, aber nur gerade so über die Runden kam. Jeder ihrer Versuche, ihr Unternehmen erfolgreich zu machen, scheiterte. Doch dann entdeckte sie dein Produkt. Sie probierte es aus… und es klappte. Sie hatte zum ersten Mal Erfolg.
Die Suche
Oder auch Die Mission – im Englischen jedenfalls The Quest genannt.
Dem Helden oder der Heldin wird eine Aufgabe aufgetragen, die sie erfüllen müssen:
-
- Frodo muss den Ring zerstören.
- Marlin will seinen Sohn Nemo finden.
Der Plot eignet sich besonders für Marken, die einen bestimmten Zweck oder ein bestimmtes Ziel verfolgen. NGOs zum Beispiel, die sich für den Klimaschutz einsetzen.
Es kann auch die Geschichte deiner Kund:innen sein, die auf der Suche nach der Lösung ihres Problems waren. Sie schauten sich um, recherchierten – nichts. Doch dann entdeckten sie dich und dein Produkt. Erzähle der Welt davon.
Reise und Rückkehr
Nicht zu verwechseln mit der Heldenreise. Sie ist sehr komplex und kann auf jeden der Basic Plots angewendet werden. Sie beschreibt die Haltestellen innerhalb der Plots. Mehr darüber in einem anderen Artikel.
Zurück zur Reise und Rückkehr. Der Hobbit oder Alice im Wunderland gehören zu diesem Plot. Die Hauptfigur begibt sich auf die Reise, erlebt ein Abenteuer und kehrt verändert wieder zurück.
Im Marketing und Storytelling für Unternehmen eignet sich der Plot für persönliche Geschichten – die der Gründer:innen zum Beispiel.
Steve Jobs musste Apple verlassen, wurde ins Exil geschickt, kehrte weise zurück und führte das Unternehmen in seine immer noch anhaltende erfolgreiche Phase.
Komödie
Leicht und humorvoll, das ist die Komödie. Am Ende ist alles gut, die Figuren sind glücklich und zufrieden.
Doch auch eine Komödie funktioniert nicht ohne Konflikt. Dieser spitzt sich zu, bis er in einem klärenden Ereignis gelöst oder das Missverständnis aufgeklärt wird.
Der Film Stolz und Vorurteil gehört zur Komödie genauso wie Bridget Jones oder Tatsächlich Liebe.
Im Marketing und der Werbung hilft der Plot, die Kund:innen emotional mit der Marke oder dem Produkt zu verbinden oder schlicht, sie zum Lachen zu bringen.
Ein schönes Beispiel ist die Werbung von McDondals:
Ein humorvolles Beispiel ist die Werbung von John West:
Tragödie
Romeo und Julia, Der große Gatsby, Departed – Unter Feinden, Nightcrawler.
Was haben diese Geschichten gemein?
Das Ende.
Der Held und die Heldin erreichen ihre Ziele nicht. Sie scheitern oder sterben sogar.
Als fiktionale Geschichte funktioniert der Plot, aber tut er das auch in der Werbung?
Die kurze Antwort: Ja.
Wir müssen aber aufpassen, wie und welche Geschichte wir erzählen, denn auch mit der Tragödie wollen wir Menschen mit unserer Marke verbinden oder sie dazu bringen, ein Produkt zu kaufen.
Snickers baute eine ganze Kampagne darauf auf: Du bist nicht du, wenn du hungrig bist:
Der Twist in den Werbe-Tragödien ist natürlich, dass die Produkte oder die Marke das Ruder doch noch herumreisen.
Wahre Tragödien gibt es also selten.
Wiedergeburt
Ob sprichwörtlich oder sinnbildlich, das Motiv der Wiedergeburt finden wir in Geschichten wie Und täglich grüßt das Murmeltier, Schneewittchen oder Die Schöne und das Biest wieder.
Ähnlich der Reise und Rückkehr kommen der Held und die Heldin gestärkt zurück. Sie gingen durch das Tal der Tränen, mussten Schmerzhaftes aushalten, Neues lernen, sich selbst hinterfragen und wurden deshalb wiedergeboren.
Dein Unternehmen macht einen Fehler und deine Kund:innen beschweren sich über dich? Du erstellst ein neues Produkt und es entspricht nicht der gewünschten Qualität?
Blöd gelaufen – aber kein Problem, wenn du daraus lernst. Du kannst sogar eine erfolgreiche und sympathische Werbekampagne daraus machen.
Ein Beispiel gefällig? Carlsberg bewies mit seiner Kampagne viel Humor:
Das einzig Wahre
Im Storytelling gibt es keine Regeln, die immer funktionieren.
Auch die Theorie von Brooker und seinen Seven Basic Plots wurde stark kritisiert.
Schnell finden wir zu den 20 Masterplots oder den 10 Genres, die Blake Snyder für sein Buch Save The Cat entwickelt hat.
Es gibt Raum für Diskussionen. Nutzen wir ihn. Denn je mehr wir darüber sprechen, davon erzählen, darüber nachdenken – desto besser verstehen wir den Sinn von Plots und wie sie uns helfen können.
Werner T. Fuchs beschrieb die Struktur von Geschichten wunderbar, indem er sie als Mustervorlage bezeichnete. Lassen wir die Theorien also für uns arbeiten und nicht umgekehrt.
Nutzen wir sie, wenn wir sie brauchen.
Legen wir sie beiseite, wenn sie uns im Weg stehen.
Dazu sind sie da.
Und jetzt:
Lass dich überzeugen.
Sei überzeugend.